Costa Rica als Zielland von Migrantinnen und Migranten
Viele Menschen, die Costa Rica besuchen, sind auf der Suche nach Sonne, Strand oder Natur. Aber das Land ist nicht nur ein Ziel für Touristen und
Costa Rica hat eine Bevölkerung von etwas mehr als fünf Millionen Menschen.
Kontinent/Herkunftsland* | Gesamt |
---|---|
Afrika | 999 |
Amerika | 538.625 |
davon: | |
Nicaragua | 384.894 |
USA | 30.335 |
Kolumbien | 29.493 |
Venezuela | 14.971 |
El Salvador | 14.207 |
Asien | 19.782 |
davon: | |
China | 11.377 |
Europa | 24.501 |
Ozeanien | 345 |
Sonstige | 33 |
Gesamt | 584.285 |
Dirección General de Migración y Extranjería, Informes Estadísticos Annuales, Informe Annual 2021 [Generaldirektion für Migration und Ausländerwesen, Statistische Jahresberichte, Jahresbericht 2021], siehe Externer Link: hier (Zugriff: 20.06.2023).
Costa Rica verfügt über ein hohes politisches Ansehen, für das etwa ihr Engagement für
In den letzten Jahren ist die Zahl der in Costa Rica gestellten Asylanträge stark angestiegen. Nach Angaben der costa-ricanischen Generaldirektion für Migration und Ausländerwesen (Dirección General de Migración y Extranjería, DGME) gab es im Jahr 2022 86.788 Asylbewerberinnen und -bewerber. Von Januar bis August 2023 registrierte die DGME 26.723 Asylantragstellende. Insgesamt dominieren auch hier Staatsangehörige aus Nicaragua, die ihr Herkunftsland aufgrund einer sich verschlechternden Menschenrechtslage verlassen haben.
Diese Entwicklungen setzten das Asylsystem Costa Ricas unter immensen Druck. Ende November 2022 änderte Präsident Rodrigo Chaves Robles daher die Politik zur Beantragung von internationalem Schutz. Bisher war es möglich, telefonisch oder über eine Website Asyl zu beantragen. Nun müssen Schutzsuchende innerhalb von 30 Tagen nach Einreise persönlich bei den Behörden erscheinen, um einen Asylantrag zu stellen. Während ihr Antrag bearbeitet wird, dürfen sie Costa Rica nicht verlassen. Auch die Erteilung einer Arbeitserlaubnis dauert nun länger. Da die meisten Asylantragstellenden laut DGME nicht die Voraussetzungen für den Flüchtlingsstatus erfüllen, wurde für Staatsangehörige Kubas, Venezuelas und Nicaraguas eine besondere befristete Aufenthaltserlaubnis reaktiviert, die vor 2016 bereits einmal existiert hatte: die Categoría Especial Temporal. Sie ist am 1. März 2023 in Kraft getreten und erlaubt denjenigen, die ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückziehen und sich stattdessen bei der Sozialversicherung anmelden (und nicht vorbestraft sind), zwei Jahre lang legal in Costa Rica zu bleiben und zu arbeiten.
Costa Rica als Transitland
Seit etwa 2010 ist Costa Rica zunehmend zu einem Transitland für intra- und extrakontinentale Migrantinnen und Migranten auf dem Weg in die Vereinigten Staaten geworden. Menschen aus dem Kongo, Somalia, Eritrea, Bangladesch und anderen asiatischen, afrikanischen und karibischen Staaten (z.B. Kuba und Haiti) reisen über die Stadt Paso Canoas nach Costa Rica ein. Diese Stadt liegt sowohl in Costa Rica als auch in Panama, die Grenze zwischen beiden Ländern verläuft quer durch die Stadt. An diesem Punkt ihrer Reise haben sie bereits den Darién Gap durchquert, ein ca. 145 Kilometer langes Areal dichten Dschungels auf dem Gebiet der Staaten Kolumbien und Panama. Anschließend durchqueren sie Costa Rica und verlassen das Land in Richtung Norden durch den Kanton La Cruz an der Grenze zu Nicaragua. Die Migrationsströme sind gemischt: Wirtschaftsmigrantinnen und -migranten reisen auf denselben Routen wie Asylsuchende und Opfer von Menschenhandel. Schätzungen zufolge reisen jeden Monat etwa 9.600 Menschen irregulär nach Costa Rica ein.
Die Transitmigration hat vor allem aus zwei Gründen zugenommen:
Die kontinuierliche Verschärfung der europäischen Migrations- und Grenzkontrollpolitik erschwert die Migration nach Europa und bewegt Menschen, die auswandern wollen oder fliehen müssen, dazu nach anderen möglichen Zielen und Mobilitätsoptionen zu suchen.
Die Vorstellung vom „amerikanischen Traum“ (American Dream) – also die Hoffnung auf sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg – scheint trotz der Coronapandemie und einer anhaltenden Wirtschaftskrise weiterhin eine starke Triebkraft für die Migration durch den amerikanischen Kontinent zu sein.
Einwanderungspolitische Maßnahmen in den USA (wie etwa der zeitlich befristete Schutzstatus/Temporary Protected Status ), die bestimmten Nationalitäten Vorteile bieten, spielen nicht minder eine Rolle, ebenso wie die Aussicht auf Interner Link: Rücküberweisungen , die für viele Haushalte in den Herkunftsländern der Migrantinnen und Migranten eine wichtige Einkommensquelle sind. Daten des in den USA ansässigen Think Tanks Inter-American Dialogue belegen die Bedeutung der Rücküberweisungen in die lateinamerikanischen Herkunftsländer: So entsprechen die Rücküberweisungen in Honduras, El Salvador, Nicaragua und Guatemala etwa 20 Prozent des BIP dieser Länder.
Doch Migrantinnen und Migranten entscheiden sich auch deshalb für die Durchreise durch Lateinamerika, weil es in der Region „relativ durchlässige Grenzen, eine offene Einwanderungspolitik und eine im Vergleich zu Europa und Nordamerika begrenzte staatliche Kapazität zur Durchsetzung dieser Politik“ gibt.
Migrationsentscheidungen sind jedoch komplex, da die Migration mit hohen Kosten und Risiken verbunden ist. Viele Migrantinnen und Migranten und ihre Familien müssen hohe Schulden in Kauf nehmen, um die Reise zu ihrem Zielort antreten zu können. Die Reisen selbst verlaufen nicht geradlinig und unidirektional, sondern sind oft lang, kompliziert und gefährlich; es kann viele Monate oder sogar Jahre dauern, den Kontinent zu durchqueren, um Mexiko, die Vereinigten Staaten oder Kanada zu erreichen. Manche beschließen, ihre Reise nach Norden nicht fortzusetzen, und bleiben in einem der Länder entlang der Migrationsroute; andere kehren in ihr Herkunftsland zurück, wieder andere erreichen ihr Ziel nie, da sie aufgrund der
Punkte der Einreise von intra- und extrakontinentalen Migrantinnen und Migranten
Brasilien und Ecuador sind die Haupteinreisestellen in Südamerika, entweder per Flugzeug oder per Schiff. Ecuador beispielsweise verlangte bis Ende 2015 von kubanischen Staatsangehörigen kein Visum. Infolgedessen wurde es zu einem wichtigen Einreisetor für Menschen aus Kuba auf dem Weg in die Vereinigten Staaten. Brasilien gewährte nach den schrecklichen Erdbeben im Jahr 2010 etwa 98.000 Staatsangehörigen Haitis humanitäre Visa und Aufenthaltsgenehmigungen. Etwa ein Drittel dieser Haitianerinnen und Haitianer soll Brasilien später aufgrund der dortigen wirtschaftlichen Rezession verlassen haben.
Die Wirtschaftskrise und die sich verschärfenden politischen Konflikte in vielen Ländern Süd- und Mittelamerikas haben dazu beigetragen, dass die Zahl der Migrantinnen und Migranten gestiegen ist, die auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen auf dem Landweg in den Norden des Kontinents reisen. Ihre Reisen sind jedoch schwer zu erforschen, und es ist schwierig, angemessene Informationen zu erhalten, da diese Migrantinnen und Migranten nicht wahrgenommen werden wollen. Daher sind die Daten spärlich, unvollständig und teilweise widersprüchlich.
Seit 2012 werden in Costa Rica Daten über die Reisen von extrakontinentalen Migrantinnen und Migranten gesammelt. Dies geschah zunächst auf der Grundlage der aufgegriffenen und inhaftierten Migrantinnen und Migranten, später auf der Grundlage der Anzahl der Personen, denen in Costa Rica eine befristete Einreise- und Transitgenehmigung für humanitäre Hilfe (Permiso de Ingreso y Permanencía Transitoria para Atención Humanitaria, PIT) ausgestellt wurde (siehe Tabelle 2).
2016 | 2017 | 2018 | 2019 | ||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
18.301 | 5.815 | 8.963 | 24.102** | ||||
Männlich | Weiblich | Männlich | Weiblich | Männlich | Weiblich | Männlich | Weiblich |
13.302 | 4.999 | 5.284 | 531 | 7.754 | 1.209 | 16.137 | 7.965 |
Meistvertretene Nationalität in diesem Jahr | Meistvertretene Nationalität in diesem Jahr | Meistvertretene Nationalität in diesem Jahr | Meistvertretene Nationalität in diesem Jahr | ||||
Republik Kongo (10.613) | Nepal (2.098) | Indien (2.931) | Haiti (8.717) |
Berechnungen der Autorin basierend auf Daten, die ihr von Costa Ricas Dirección General de Migración y Extranjería (DGME) [Generaldirektion für Migration und Ausländerwesen] zur Verfügung gestellt wurden.
Nach Angaben der DGME reisten von 2013 bis 2017 im Zusammenhang mit der Transitmigration 10.646 Migrantinnen und Migranten aus der Republik Kongo durch Costa Rica, 4.688 aus der Demokratischen Republik Kongo und 1.305 aus Eritrea.
Die kubanische Migrationskrise 2015
Die irreguläre Migration aus der Karibik, Asien und Afrika durch Costa Rica wurde 2015 mit der sogenannten kubanischen Migrationskrise deutlich sichtbar. Im Kontext der
Das mögliche Ende dieser bevorzugten Einwanderungspolitik mobilisierte Kubanerinnen und Kubaner, sich auf den Weg in die USA zu machen. Infolgedessen stieg in Costa Rica die Zahl irregulär Einreisender aus Kuba. Für die Durchreise wurde ihnen ein befristeter Migrationsstatus (Permiso de Ingreso y Tránsito, PIT) angeboten. Außerdem wurden sie mit Lebensmitteln und medizinisch versorgt und erhielten Sicherheit und Freizügigkeit. Vor allem aber wurde den Familien die Möglichkeit gegeben, zusammen zu bleiben. Die Reise der Kubanerinnen und Kubaner wurde von Schmugglern erleichtert: Ende 2015 zerschlug Costa Rica ein Schmuggler-Netzwerk, das an seiner Nordgrenze operierte und von Miami bis nach Ecuador und Guatemala reichte.
Im Januar 2017, am letzten Tag der Regierung von Barack Obama, wurde die Vorzugsbehandlung von Kubanerinnen und Kubanern beendet. Die irreguläre Migration aus Kuba über Costa Rica jedoch setzte sich fort.
Die Coronapandemie: geschlossene Grenzen, geschlossene Aufnahmezentren
Vor dem Ausbruch der Coronapandemie bemühte sich Costa Rica um den Schutz der Menschenrechte von durch sein Hoheitsgebiet reisenden Migrantinnen und Migranten und bekämpfte gleichzeitig Menschenschmuggel (coyotaje) und Menschenhandel.
Nachdem im März 2020 der erste Fall von COVID-19 in Costa Rica festgestellt worden war, kam dieser Ansatz zum Erliegen. Die Regierung des damaligen Präsidenten Carlos Alvarado ordnete an, die Grenzen des Landes zu schließen. Infolgedessen saßen mehrere hundert Transitmigrantinnen und -migranten in Costa Rica sowie im Darién-Dschungel auf der panamaischen Seite der Grenze fest.
Aktuelle Entwicklungen
Im März 2022 verkündete Costa Rica eine engere Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten zur verstärkten Überwachung der Grenzen und zum Ausbau der Einwanderungskontrollen. Bereits einige Wochen zuvor hatte Costa Rica (ebenso wie Panama und Mexiko) die Visabestimmungen für kubanische und venezolanische Staatsangehörige verschärft und damit deren Durchreise erschwert.
Ein weiterer Grund für den Anstieg der durch Costa Rica reisenden Migrantinnen und Migranten kann womöglich auch auf das Ende von Title 42 im Mai 2023 zurückgeführt werden. Diese Regelung hatte es den USA seit März 2020 erlaubt Migrantinnen und Migranten ohne Papiere mit Verweis auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit sofort abzuschieben, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, einen Asylantrag zu stellen. Mit dem Ende dieser Politik stiegen die Hoffnungen auf eine Einreise in die USA. Dies wiederum setzt die lateinamerikanischen Transitländer unter Druck, die im Laufe des Jahres 2023 einen Anstieg der Zahl der Migrantinnen und Migranten verzeichneten.
Ausblick
Es scheint, als würde Costa Rica langsam in die Bemühungen der USA hineingezogen, die Migrationskontrolle weit ins Vorfeld der US-Grenze zu verlagern. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Drucks, mit den USA zu kooperieren, bleibt abzuwarten, ob Costa Rica seinen Ansatz zur Wahrung der Menschenrechte von Transitmigrantinnen und -migranten beibehalten wird. Bis Oktober 2023 hatte die Regierung noch nicht jene Unterstützungsstrukturen wiederhergestellt, die es vor der Coronapandemie gegeben hatte, wie z.B. Genehmigungen, die eine legale Durchreise und Unterstützung ermöglichen.
Übersetzung aus dem Englischen: Vera Hanewinkel